DQM 2020 in Berlin (1)

Dies ist Teil 1 eines zweiteiligen Berichts über die Deutschen Quizmeisterschaften 2020. Teil 2 ist hier zu finden.
 

Der Quizgott ist ein bisschen ungnädig: „Es macht mir keinen Spaß, diese Fragen zu lesen. Wenn ich ein Fragenset schreibe, habe ich einen anderen Ansatz.“ Klare Worte – und das nach einem gewonnenen Wettbewerb! Was hat Sebastian Jacoby zu dieser Kritik veranlasst? Hat er doch bei den Deutschen Quizmeisterschaften (DQM) 2020 in Berlin bei vier Wettbewerben zwei Titel und einen zweiten Platz abgeräumt und äußert sich auch sonst insgesamt durchaus zufrieden mit dem Meisterschaftswochenende. 

 

Aber so einfach ist das halt nicht: Fragenlektüre, Platzierungen, Begegnungen während und am Rande der Wettbewerbe, atmosphärische Begleiterscheinungen – all das macht ein langes Quizwochenende wie dieses Gipfeltreffen des DQV aus und führt zu einer komplexen Gemengelage aus Wahrnehmungen und Einschätzungen. Wir haben versucht, exemplarisch drei Personen mit ihren ganz unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen an ein solches hochverdichtetes Event zu begleiten. Dann legen wir mal los!

 

 

Ziele, Wünsche & Erwartungen

 

Die Aufgeregte: Michelle

Michelle Kaltenecker, 27 Jahre alt, Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Detmold, geht ihre ersten DQM neugierig, bescheiden und sportlich an: „Ich möchte das olympische Motto nicht vergessen ("Dabeisein ist alles"), viel Spaß haben (und mich nicht über meine Blackouts ärgern und wegen der daraus resultierenden niedrigen Punktzahl schämen) und natürlich auch an Erfahrung und Wissen gewinnen.“ Ihre Anreise war durchaus anstrengend, mit einem noch nicht ausgeheilten Rippenbruch ist sie zudem gehandicapped, aber den Spaß lässt sie sich dadurch nicht nehmen.

 

 

Mit einer Freundin und weiteren Gleichgesinnten bildet sie im Loewe-Saal die „Hörnchen-Gang“, die nicht nur zahlreiche Stoff-Exemplare der Gattung Sciurus um sich herum versammelt, sondern offenbar auch innerhalb ihres „Gefragt – Gejagt“-Fantums besonderen Gefallen am bekennenden Eichhörnchen-Freund und „Quiz-Vulkan“ Manuel Hobiger gefunden hat. „Zum DQV bin ich durch Gefragt – Gejagt gekommen. Da der Verein immer wieder erwähnt wurde, bin ich neugierig geworden, habe mich auf der Website mal umgesehen, dann an einem Monats-Cup teilgenommen – und Blut geleckt.“

Für die DQM hat sie noch einen Wunsch: „Bitte nicht Letzte werden!“ Angekommen im Berliner Loewe-Saal, der nach 2019 erneut die Meisterschaften beherbergt, ist sie schon ein bisschen aufgeregt. „So viele neue Leute“, strahlt sie, fürchtet sich aber auch etwas vor der Härte des Wettbewerbs, „da wird eventuell auch mal der eine oder andere Kommentar zu den erzielten Punkten fallen …“

Beim DQV haben wir immer auch einen Bildungsauftrag: Eichhörnchen gehören zur Gattung Sciurus, aus dem Altgriechischen für „Schatten“ und „Schwanz“, da man in der Antike annahm, Eichhörnchen könnten sich selbst Schatten spenden.

 

Die Abgeklärte: Petra

Petra Piper, 53-jährige Beamtin im Gehobenen Dienst der Bundeswehrverwaltung aus Flensburg, fand ebenfalls über „Gefragt – Gejagt“ zum DQV. Allerdings als Teilnehmerin: Nach der Aufzeichnung im Mai 2018 sprach mich Sebastian Klussmann an. Ich habe mir danach die Website angesehen und bin schon recht bald in den DQV eingetreten. 

 

 

Ja, und da sitzt sie nun am ersten Wettbewerbstag, als Drittplatzierte der ersten Schleswig-Holsteinischen Meisterschaften und Top-50-Quizzerin in Deutschland durchaus mit gewissen Ambitionen bei ihren ebenfalls ersten DQM unterwegs: „Mehr als 50 % der Punkte pro Quiz sollten schon herausspringen. Eine Platzierung in der oberen Hälfte der Tabelle wäre gut, im oberen Drittel Spitze.“ Darüber hinaus ist sie entspannt und offen: „Ich schau‘ mich hier um, man schnackt mal, lernt neue Leute kennen, und es sind ja doch auch welche dabei, die man im normalen Leben nicht unbedingt kennenlernen würde. Heute Morgen bin ich im Hotel sogar von jemandem angesprochen worden, den ich vorher gar nicht kannte.“

 

Der Quizgott: Sebastian

Nun, und Sebastian Jacoby, 41 Jahre alt, wohnhaft in Duisburg, Controller bei einem Stahlkonzern – was soll er sich für Ziele setzen, der nicht nur als „Jäger“ aus „Gefragt – Gejagt“ bekannt ist, sondern auch sämtliche Meistertitel bereits gewonnen hat, die der DQV zu vergeben hat? „Im Hinblick auf die Wettkampfseite des Quizzens hat die DQM klar die Top-Priorität für mich im Saisonverlauf. Das Basisziel ist, mindestens eine Treppchenplatzierung zu erreichen. Grundsätzlich versucht man, in allen Wettbewerben sein Bestes zu geben. Die Leistungsdichte nimmt aber Jahr für Jahr zu, was jede vordere Platzierung umso erfreulicher macht.“

Sebastian hat einen lückenlosen Track Record; er war bereits bei der ersten DQM im Jahre 2012 am Start. „Ganz am Anfang war die Deutsche Meisterschaft, die nur im Einzel ausgetragen wurde, eher ein Anhängsel der World Quizzing Championships, die am Vortag mit einer größeren Anzahl an Spielerinnen und Spielern durchgeführt wurde. Aber auch die damaligen deutschen Teilnehmerzahlen an der Weltmeisterschaft waren verschwindend gering, wenn man sie mit den heutigen "Spielermassen" vergleicht.“

 

 

Die erneute Nutzung des letztjährigen Austragungsortes sieht Sebastian positiv: „Die Räumlichkeiten sind groß genug, gut angebunden und im Prinzip ideal für die DQM. Natürlich würde ich mich mal über eine Meisterschaft im Westen oder Süden freuen, aber es muss ja auch mit der organisatorischen Leitung klappen, und hier in bzw. für Berlin macht Sebastian Geschwindner da einfach einen großartigen Job.“

Damit, dass bei DQV-Veranstaltungen auch immer einige „Jäger-Fans“ auftauchen, kann Sebastian gut umgehen. Er weiß um die Bedeutung der TV-Popularität für den generellen Zulauf. Allerdings sieht er unter den Fans durchaus nicht nur Bewunderer, „da sind schon auch welche dabei, die gern mal einem Jäger zeigen möchten, wo der Barthel den Most holt.“

Bildungsauftrag: Die Redewendung über Barthels Most lässt sich seit dem 17. Jahrhundert nachweisen. Es existiert eine Fülle an etymologischen Erklärungen – dem Autor gefällt der Bezug auf eine sächsische Sage mit dem höchst sachverständigen Weinschenk Bartholomäus Zimmer am besten.

 

Der Auftakt: Doppelwettbewerb

Samstagmorgen. Ein eher grauer Tag entwickelt sich, wie so oft in diesem Winter. Doch den rund 260 Menschen, die sich nach und nach im Loewe-Saal in Berlin-Moabit einfinden, ist das relativ egal. Schließlich sind sie zum Quizzen hier, und so akkreditieren sie sich geduldig für die Wettbewerbe, begrüßen alte Bekannte, beäugen vorsichtig die Szenerie oder stellen fest, dass die „Jäger“ in zivil zumeist doch etwas anders gekleidet und gestylt sind als im Fernsehen. Aber da, ist das nicht der Klussmann, der hat doch tatsächlich auch hier ein Blumenhemd an, soso, aha …

Es ist schon beeindruckend, wie groß dieses Meisterschaftswochenende geworden ist. Wer sich mal per "Kartenreise" ein Bild davon machen möchte, woher die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen, möge sich dieses kleine Video anschauen.

 

 

Stolze 132 Zweier-Teams (nach 113 im Vorjahr) treten dann zum ersten Wettbewerb des Wochenendes an, dem Doppel. Es wird gespielt in Form von zehn themengemischten Runden mit jeweils zehn Fragen. Sowohl für die Teilnehmer*innen als auch für den Set-Autor liegt die spezielle Herausforderung darin, dass es ein eher selten gespieltes Format ist: Größere Teams kennt man auch vom Pubquiz oder vom Städtecup und ganz allein vor den Fragen sitzt man auch unterjährig bei den monatlichen DQV-Cups. Somit ist die Dosierung der Schwierigkeit und Bandbreite (für den Autor) ebenso herausfordernd wie für die Teams die Feinabstimmung für Kommunikation und Lösungsfindung.

Autor Nicholas Martin gehört allerdings nicht nur zu den besten österreichischen Quizzern, sondern ist auch ein erfahrener Autor, der ein anspruchsvolles, aber ausgewogenes Set hinlegt, im Punkteschnitt geringfügig unter dem des Vorjahres. Eine einzige volle 10 gelingt im ganzen Teilnehmerfeld – die drittplatzierten Stefan Georg und Max Lüggert schaffen dieses Kunststück in Runde 3. 74 Punkte insgesamt sind es für diese beiden am Ende.

Damit landen die letztjährigen Vizemeister diesmal auf Rang 3, hauchdünn per Tiebreak-Regelung geschlagen von den punktgleichen Titelverteidigern, Holger Waldenberger und Markus Solty. Gerade mal einen Punkt davor dann „die zwei Sebastians“, Sebastian Klussmann und unser Protagonist Sebastian Jacoby. Zum dritten Mal nach 2013 und 2017 stehen diese beiden ganz oben auf dem Siegerpodest.

Hier geht es zu den vollständigen Ergebnissen des Doppel-Wettbewerbs.

Entsprechend euphorisch fällt die Reaktion von Sebastian Klussmann aus:

„Ich freue mich riesig, endlich wieder mit meinem langjährigen Doppelpartner oben auf dem Treppchen stehen zu können. Nach Abschluss des Quizzes hatte ich zwar ein gutes Gefühl – dass es für den Titel reicht, hatte ich jedoch nicht geglaubt. Mein persönliches Highlight war der Punkt für “Codex Abrogans”. In meinen Auftritten als Speaker empfehle ich immer, mal im Alltag nachzuschauen, nach wem oder was denn Straßen benannt sind. Im Januar habe ich in Rottach-Egern in der Aribostraße einen Vortrag halten dürfen und bin so auf Aribo von Freising gestoßen, der als möglicher Verfasser des Glossars gilt. Practice what you preach!"

 

Bildungsauftrag: Der Codex Abrogans ist ein lateinisch-althochdeutsches Glossar. Die Abschrift aus dem späten 8. Jahrhundert gilt als ältestes erhaltenes Buch in deutscher Sprache und wird heute in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt.

 

Und was sagen unseren anderen beiden Protagonistinnen?

Petra Piper trat zum ersten Mal überhaupt in einem Doppel- oder Teamwettbewerb an und kannte auch ihre Spielpartnerin Petra Bonge zuvor nicht persönlich. „Es hat gut funktioniert! Wir haben das ähnlich gespielt wie einen Städtecup: Erstmal hat jede für sich die jeweils zehn Rundenfragen durchgeschaut, dann haben wir es zusammengetragen. Mal konnte die eine was beitragen, mal die andere. Ein Mal haben wir uns die richtige Lösung leider ausgeredet.“

In punkto Harmonie zeigt sich Petra zufrieden, in punkto Ergänzung sei aber noch Luft nach oben gewesen: „Sport oder eher ‚jugendliche‘ Fragen konnten wir beide nicht so richtig abdecken.“ Am Ende ist es Platz 68 für die beiden Petras, womit die obere Hälfte des Tableaus hauchdünn verpasst wird.

Und auch das Ziel von mindestens 50% der erreichbaren Punkte wird von den beiden mit 49 Punkten denkbar knapp verfehlt. Immerhin liegen sie damit aber knapp über dem Durchschnitt der Teilnehmer und teilen sich die Punktzahl zudem mit zehn(!) weiteren Paaren. Mit gerade mal zwei Punkten mehr wären sie z. B. schon mindestens auf Platz 56 vorgerückt, was die Enge des Feldes eindrucksvoll belegt. Im Punktebereich zwischen 31 (Platz 125) und 61 (Platz 13) ist denn auch jede einzelne Punktzahl mindestens ein Mal vertreten, überwiegend auch mehrfach.

 

Michelle kann auf jeden Fall einen kleinen Erfolg verbuchen: Mit ihrer Doppelpartnerin Vanessa Schulz gelingt es ihr nicht nur, die rote Laterne zu vermeiden, die beiden schaffen zudem in jeder Runde mindestens einen Punkt. Interessant ist auch, dass ihre beste Runde ausgerechnet die zweite ist, in der sie mit vier Punkten sogar über dem Durchschnitt aller Paare (3,8) liegen, denn dies ist statistisch die schwerste Runde des Turniers. Auch die Vizemeister Waldenberger/Solty holen hier beispielsweise „nur“ sechs Punkte.

Michelle freut sich jedenfalls, dass sie in diesem Format mit ihrer Spielpartnerin auch mal quatschen konnte, ein bisschen diskutieren, sich dann festlegen – „und ab und zu haben wir uns dann auch mal geärgert, wenn wir uns auf die falsche Lösung geeinigt hatten.“ Ihr zweistelliges Gesamtergebnis nehmen die beiden jedenfalls als willkommene Überraschung an, und bei ein paar Fragen stellt sich auch dieses „Ja, geil!“-Gefühl ein, das Quizzen fast zur Sucht machen kann, wenn man sich eine knifflige Lösung schwer erarbeitet hat.

 

Sebastian Jacoby ist erwartungsgemäß nicht weniger zufrieden als sein Namensvetter: „Klussi ist natürlich ein starker Partner, gerade auch bei Personenfragen aus eher abseitigen Gebieten. Wir hatten schon so etwas wie einen ‚Schlachtplan‘, nachdem wir in den Vorjahren doch auch Lücken bei uns gesehen hatten. So gelangen uns diesmal schöne Punkte – aber zugleich gab es immer noch Fragen, nach deren Auflösung wir nur „um Gottes willen, das hätten wir wissen müssen!“ dachten.“

Obwohl die beiden übrigens auf nationaler Ebene quasi seit Beginn der DQV-Geschichte zusammenspielen, haben sie sich bei den internationalen Turnieren (v. a. der Quiz-Europameisterschaft) mittlerweile etwas anders aufgestellt. Wie überhaupt bei Doppel- und Teamwettbewerb der richtige Mix immer wichtiger würde: „Nur mit einem ausgewogenen Team kann man vorn wirklich angreifen. Zum Beispiel ist seit Jahren das Team Klaus Otto Nagorsnik/Carsten Happe (dieses Jahr Platz 5, d. Red.) ein Beispiel dafür, dass ein eher klassisch gebildeter Quizzer und ein anderer mit starkem popkulturellen Wissen sehr gut zusammenpassen.“

Und wie beurteilt Sebastian das Set, das zum zweiten Mal in Folge von einem Autor aus Österreich kam? „Im Gegensatz zum letzten Jahr war die nicht-deutsche Herkunft des Autors kaum zu spüren, mal abgesehen von der eher humoristischen „Piefke“-Frage am Schluss. Es war ausgewogen und spielte sich insgesamt sehr schön.“

Bildungsauftrag: Piefke ist eine meist abwertend gebrauchte Bezeichnung von Österreicher*innen für ihre deutschen Nachbar*innen, ursprünglich aus einen Eigennamen abgeleitet und später im ganzen deutschen Sprachraum als Synonym für einen Prahler und Snob gebraucht. Ein preußischer Militärmusiker dieses Namens rundete das negative Bild ab. In den 1990er Jahren sorgte dann die Fernsehproduktion „Die Piefke-Saga“ für eine Auffrischung von Bekanntheit und Boshaftigkeit dieses Begriffs und für beinahe ernste Verwerfungen im deutsch-österreichischen Verhältnis.

 

Das Intermezzo: Qualifikation

Mit einem bereits aus dem Vorjahr bekannten „Zwischenformat“ geht es nach der Pause weiter: Die Buzzer-Meisterschaft kündigt sich an, und wie in jedem Jahr gibt es dafür erheblich weniger Plätze als Interessierte. 50, 100, gar 200 oder noch mehr Leute in diesem Format, in dem maximal vier Personen gleichzeitig Begriffe erquizzen sollen – das geht schlichtweg nicht.

Und so arbeitet der DQV beständig daran, ein faires Qualifikationsverfahren auf die Beine zu stellen, das außerdem allen Anwesenden zumindest eine kleine Chance zur Eroberung eines der 32 Plätze in der Finalrunde eröffnet. In diesem Jahr werden zunächst 19 Plätze durch verschiedene Meisterschaftsleistungen aus 2019 vergeben. 20 Teilnehmer*innen werden ausgelost, sie müssen sich dann in einem „Sudden Death“-Modus in Vierer-Buzzerrunden durchsetzen, bei denen eine einzige Antwort bereits zur Qualifikation bzw. zum Ausscheiden der übrigen drei führt.

Doch zuvor ist noch ein „halber Deutschland-Cup“ angesetzt, zur Ermittlung von weiteren – na, wer hat aufgepasst? – richtig: acht Quizzer*innen, die das Sechzehntelfinale der Buzzermeisterschaft komplettieren sollen. Ein gemischtes Set mit 50 Fragen soll hier die acht Besten herausfiltern, und neben den frischgebackenen deutschen Doppel-Meistern durfte auch der Autor dieser Zeilen eine Handvoll Fragen beisteuern.

Sebastian Jacoby, als Quizautor kaum weniger erfahren denn als Quizteilnehmer, genießt die unterschiedlichen Rollen im Rahmen solcher Wettbewerbe: „Bei einer DQM bin ich tatsächlich erstmalig auch als Autor dabei, aber hoffentlich nicht zum letzten Mal. Es ist toll zu sehen, wie während der Bearbeitungszeit und vor allem bei der Auflösung die Leute dann auf die eigenen Fragen reagieren. Bei nur 50 Fragen ist die Trennschärfe natürlich etwas geringer, tendenziell sollte ein solches Quali-Set etwas leichter und noch ‚zugänglicher‘ sein, als man es von einem guten Set ohnehin erwarten darf.“

Ansonsten freut sich Sebastian bereits jetzt auf das Buzzer-Turnier und darauf, „wie Stefan Georg es auf seine wunderbare, unnachahmliche Art moderiert. Beim Buzzerquiz ist natürlich der Geschwindigkeitsaspekt und das Eins gegen Eins interessant. Diese Art von Quiz entfaltet die größte Wirksamkeit für die Öffentlichkeit und macht mir persönlich besonders viel Spaß. Hier ist auch Regelkenntnis und Taktik mitentscheidend.“

35,5 von 50 möglichen Punkten sind letztlich nötig für die Qualifikation zum Sechzehntelfinale. Und während Sebastian dank seiner Vorjahresleistungen bereits qualifiziert ist, versuchen sich Michelle und Petra sowohl über das schriftliche Quiz wie auch über das Los in das Buzzer-Feld zu schieben. Leider vergeblich. „Mit meinen 30 Punkten war ich ganz zufrieden“, meint Petra, „aber ich konnte auch erst mal nicht einschätzen, wie viele ich für die Quali gebraucht hätte.“

Bildungsauftrag: Wie viele Arme sind auf Leonardo da Vincis berühmter Zeichnung „Der vitruvianische Mensch“ zu sehen? Diese Frage schien doch bei einigen für Verwirrung gesorgt zu haben – es sind tatsächlich „nur“ vier. Dieses Proportionsschema der menschlichen Gestalt zeichnete Leonardo nach den idealisierten Vorgaben des römischen Architekten und Philosophen Vitruv(ius), der im ersten bzw. letzten Jahrhundert v. Chr. lebte. Und von dem übrigens keinerlei eigene Zeichnungen überliefert sind.

 

... und Action: Buzzerwettbewerb, Teil 1

Und dann ist es endlich soweit – es darf gebuzzert werden! Nachdem die erste Sudden Death-Runde noch bis zum zehnten und letzten Hinweis heruntergespielt werden muss, geht es in den folgenden vier Matches dann flotter. Alle Fragen dieser Runde, sämtlich von Moderator Stefan Georg selbst verfasst, werden gelöst und somit steht das Feld der 32 Besten und Glücklichsten fest, die dann in der ersten Hauptrunde schon drei richtige Antworten geben müssen, um zu den zweien zu gehören, die sich jeweils in den Vierer-Matches durchsetzen.

Für Michelle eine interessante Publikumserfahrung. „Ich habe alle Matches verfolgt, das war schon sehr interessant – aber irgendwann habe ich dann auch abgeschaltet.“
Sebastian ist seit jeher ein Fan dieses Formats: „Es gab tolle, kreative Fragen, die fein und unterhaltsam präsentiert wurden. Nicht jede Frage (ab dem Sechzehntelfinale, d. Red.) wurde gelöst, aber ich finde das okay, man soll ja auch was lernen.“

Und auch eine gewisse „Modernisierung“ der Aufgaben erkennt Sebastian: „Es geht zunehmend weg von den klassischen Personen- oder „Teekesselchen“-Rätseln. Und manchmal kann man auch einfach mal raten. Es sollte aber in den Fragen schon auch immer um Begriffe gehen, die zumindest nach der Auflösung die Allermeisten kennen. So ein gewisser Relevanzcheck vorab kann nicht schaden.“

Nach der Halbierung des Teilnehmerfeldes, in dem übrigens bereits im Sechzehntelfinale tatsächlich nur noch Männer vertreten sind, beendet dann das erste Achtelfinale das Buzzer-Programm des ersten Wettkampftages. Max Lüggert und Holger Waldenberger dürfen bereits als Viertelfinalisten ins Bett gehen, während zwölf weitere Quizzer ihren Achtelfinals am Sonntag entgegensehen.

 

Die Kommunikationsübung: Teamwettbewerb

Ins Bett gehen zunächst weder Max noch Holger, und auch die Achtelfinalisten starten nach einer wohlverdienten Pause natürlich noch in einen Wettbewerb, der nach seiner erfolgreichen Premiere 2019 auch in diesem Jahr zu den Höhepunkten des DQM-Wochenendes zählt: Der Teamwettbewerb ruft und 58 Vierer- sowie zwei Dreier-Teams hören zu und treten an.

Holger Waldenberger, erneut als Autor des Teamsets aktiv, ergreift vor dem Startsignal das Wort und betont die Sorgfalt, die er dem Set habe angedeihen lassen – und gibt allen Teams mit auf den Weg, wirklich auf jedes einzelne Wort in den Fragen zu achten. Derart sinnesgeschärft, starten die Teams in, wir kennen es schon vom Doppelwettbewerb, zehn Runden à zehn Fragen. Und die haben es in sich! In Sachen Kreativität kann das Set es allemal aufnehmen mit den Teams selbst, die unter Namen von A wie „Akademiker und Singles mit Niveau“ bis Z wie „Zupfhühner und Zapfhähne“ antreten.

Obwohl das sehr anspruchsvolle Set einen etwas niedrigeren Punkteschnitt als 2019 hervorbringt (45,7, rund vier Punkte weniger), und obwohl auch die Schwankungsbreite in den einzelnen Rundenschnitten stärker ist (in Runde 9 liegt er unter drei Punkten – nicht ein einziges Team kommt auf mehr als fünf Punkte!), können sich die beiden Top-Teams steigern.

Hier findet ihr alle Resultate des Teamwettbewerbs 2020.

Im Gegensatz zum letzten Jahr gibt es insgesamt auch sechs Runden mit dem perfekten Ergebnis von 10 Punkten, wobei allein drei davon auf das Konto der Sieger gehen. Die Top 3 des Vorjahrs machen auch 2020 die Medaillen unter sich aus. Dabei gelingt Team „R2S2“ (Sebastian Klussmann, Roland Knauff, René Waßmer, Sebastian Jacoby) mit der neuen Höchstpunktzahl von 78 die Titelverteidigung. Platztausch und Teamnamenwechsel auf den Folgerängen: Silber holt sich Team „Buzzern macht den meisten Spaß“ (Christoph Paninka, Lorcan Duff, Manfred Lachmann, Martin Ehrl) mit 76,5 Punkten vor Team „Quiz van der Rohe“ (Stefan Georg, Manuel Hobiger, Guido Marquardt, Thorsten Zirkel) mit 72 Punkten.

R2S2-Mitglied Roland Knauff ist begeistert:

„Ich liebe den Teamwettbewerb, weil er dem ursprünglichen Pubquiz sehr nahekommt. Auch sonst ist beim Quizzen ja nicht nur wichtig, was man weiß, sondern immer auch, was man antwortet, wenn man etwas nicht weiß. Und so geht es gerade im Team nicht nur um die Summe des versammelten Wissens, sondern auch um den kommunikativen Prozess – das gemeinsame Brainstorming, sich gegenseitig anstacheln und auf Ideen bringen.  Umso größer die Freude, wenn sich am Ende eine durch wildes Assoziieren und Ausschließen zustande gekommene Verlegenheitsantwort als richtig erweist und man Fragen gelöst hat, die niemand im Team alleine hätte lösen können."

 

Und was berichten unsere drei Tapferen? Michelle und ihr Team werden zunächst mal tatsächlich nicht wegen Überschreitung der zulässigen Teamgröße disqualifiziert – obwohl sie nicht nur als vierköpfige „Hörnchengang“ an den Start gehen (neben Michelle und Vanessa mit Nicole Wolff und Martina Freundorfer), sondern die namensgebenden Kleinsäuger auch in mehrfacher Ausführung auf dem Tisch präsent sind. Aber diese moralische Unterstützung ist ja auch durchaus angebracht bei so knackigen Aufgaben.

Entsprechend erschöpft zeigt sich Michelle im Anschluss: „Vermutlich sind wir Letzte geworden, aber wenigstens wieder zweistellig. Es war wirklich anstrengend, auch wegen der Länge des Wettbewerbs und des ganzen Wettbewerbstages. Unser Team hat sich erst hier in Berlin komplett formiert. Die ganze Abstimmung ist noch einmal herausfordernder als im Doppel, wir waren am Ende wirklich „durch“ – aber wir haben uns super verstanden und es gab auch eine schöne Dynamik. Doch wir haben selbst gemerkt, dass wir nach dem anstrengenden Quiztag unser Wissen manchmal auch einfach nicht mehr abrufen konnten. Wir waren vier Erstteilnehmerinnen, alle in einem ähnlichen Alter – und neben mir auch zum Teil mit Prüfungsangst belastet.“

Prüfungsangst?
Ja. Außerhalb des Quizzens ist es für mich etwas leichter, damit umzugehen, weil ich normalerweise die Leute kenne, die mit mir geprüft werden oder die mich prüfen, wie z. B. bei meinem Examen. Das erleichtert es mir, mich schneller zu entspannen und mich zu fokussieren. Ansonsten versuche ich, Stress zu minimieren und Sachen zu machen, die mir guttun, wie Autofahren, Spazieren gehen, Musik hören, einen guten Kaffee trinken ...“

Und mit einem Blick auf den „Hörnchentisch“ ergänzt Michelle lächelnd: „Meistens habe ich auch einen kleinen Gegenstand mit dabei (Igelball, Luftballon mit Mehl gefüllt, kleines Kuscheltier), den ich kneten, streicheln und in die Hand nehmen kann, um die Anspannung zu lösen und mich wieder runterzubringen. Seit kurzer Zeit versuche ich, auch Autogenes Training anzuwenden.“

Man kann sich also seinen Ängsten stellen und dabei auch noch Spaß haben – ein bemerkenswerter Aspekt des Quizzens. Und noch etwas ist Michelle sehr wichtig, nachdem sie am Morgen noch befürchtet hatte, mit kritischen Bemerkungen über ihre Quizleistungen konfrontiert zu werden: „Die Atmosphäre ist ganz anders als erwartet, viel familiärer und gar kein verbissener Wettbewerb. Hier wird niemand ausgelacht und es gibt auch keine blöden Kommentare, im Gegenteil: Man wird immer wieder auch ermuntert, das ist wirklich toll!“

 

Auch Petra erlebt im „Team und Struppi“ (dazu gehören neben Petra und Petra noch Jörg Hessel und Wolfgang Scholz) gemischte Gefühle. Rein nach den Zahlen wird das „Mindestens 50%“-Ziel zwar mit 47,5 Punkten erneut knapp verpasst, jedoch gelingt mit Rang 28 von 60 diesmal die gewünschte Platzierung in der vorderen Hälfte.

„Es war ganz gut. Wir haben uns mal länger abgestimmt, mal hat jemand von uns die Lösung auch direkt hingeschrieben – ich zum Beispiel den „Schönfelder“, das sitzt bei mir seit der Ausbildung sicher. Ansonsten waren die Runden im Schwierigkeitsgrad schon auch unterschiedlich und manche Bereiche sind wirklich ein weites Feld. Wir hatten einen Spezialisten im Team, der sich in den Fragen aus seinem Fachgebiet bei dem Set nicht recht wiedergefunden hat, sowas kommt halt vor.“

Konditionell hat Petra allerdings keine Probleme. Da mag ihr die norddeutsche Gemütsruhe in die Karten spielen; vielleicht ist es auch einfach allgemeine Lebenserfahrung. Auf jeden Fall freut sie sich auf den zweiten Wettkampftag und geht das Ganze entspannt an. „Mal sehen, bei schönem Wetter gehe ich vielleicht auch mal zwischendurch raus.“ Wobei die Erwartung schönen Wetters vermutlich zu den unrealistischeren Wünschen gehört, die Petra mit nach Berlin genommen hat.

Bildungsauftrag: Die Sammlung „Deutsche Gesetze“ enthält die zentralen Gesetze der ordentlichen Gerichtsbarkeit, u. a. BGB und StGB. Die immer wieder aktualisierte Loseblattsammlung, aufgrund ihres roten Einbands und des beträchtlichen Gewichts auch „Ziegelstein“ genannt, wurde von Heinrich Schönfelder (gest. 1944) 1931 begründet und wird seit 1947 vom Verlag C. H. Beck fortgeführt – trotz der Tatsache, dass Schönfelder überzeugter Nazi war, weiterhin unter dessen Namen.

 

Sebastian, wir lasen es bereits, gewinnt also seinen zweiten Meistertitel und wiederholt mit R2S2 den Vorjahressieg. Besser geht’s doch nicht, oder?
„Ich hatte während des ganzen Abends ein gutes Gefühl. Die Chemie im Team und die Kommunikation waren noch besser als 2019. Wir hatten keine Abstimmungsschwierigkeiten, hatten drei Runden mit voller Punktzahl, und wirklich jeder von uns vieren konnte etwas beitragen. Und obwohl wir über ganz Deutschland verteilt leben und kaum Gelegenheit haben, uns zwischen den Turnieren irgendwie abzustimmen, hat einfach alles gepasst. René ist ja der Jüngste von uns, der hat einfach auch ein wahnsinnig breites Wissen und nicht umsonst letztes Jahr drei Titel geholt. Und Roland hat diesmal gerade im Bereich Musik und Veranstaltungen einige entscheidende Lösungen beigetragen.“

Aber wie war das nun mit dem Set?
„Ich persönlich habe einen anderen Ansatz als Holger bei der Set-Erstellung. Ich bin ein Freund von klaren, so knapp wie möglich formulierten Fragen – ohne humoristische Einleitungen, ohne Anspielungen, ohne Adjektive, die nicht direkt auf die Antwort zielen. Das ist sicherlich ein etwas ‚trockenerer‘ Stil.“

Und wie würde Sebastian den Stil dieses Team-Sets beschreiben?
„Insgesamt hat Holgers Stil etwas Comic-artiges. Mir persönlich macht es nicht so viel Spaß, ein solches Set zu lesen. Aber das ist natürlich Geschmackssache – sein Stil hat ebenfalls Anhänger und ist völlig legitim. Die Fragen waren sauber und gelungen, vielleicht auch etwas mehr abgeschliffen als im Vorjahr.“

Diese etwas stärker „erzählenden“ Elemente passen dann aber ja auch tendenziell besonders gut zum Teamwettbewerb, oder?
„Ja, die Wettbewerbsform kommt diesem Stil sicherlich entgegen bzw. vice versa. Übrigens gibt es auch international viele stilistische Varianten; das ist gar nicht ländertypisch, sondern total individuell. Meinem persönlichen Ansatz kommt dabei jemand wie Arko Olesk aus Estland recht nahe, während der wahrscheinlich führende Autor weltweit, der Brite Chris Jones, wiederum einen sehr ausufernden Fragenstil pflegt.“

Und so geht über der Frage, ob es wohl leichter sein mag, ein perfektes Quiz zu schreiben als zu spielen, der erste Tag der Deutschen Quizmeisterschaften 2020 zu Ende.

Teil 2 über den zweiten Tag der DQM 2020: Hier entlang, bitte!

Text: Guido Marquardt, Bilder: Dirk Singer, Video: Matthias Kemmerer