Als ich am Freitagabend endlich zum ersten Mal den deutschlandweit bestens bekannten Kasseler ICE-Bahnhof zum ersten Mal nicht per Zug, sondern per pedes verließ, traf ich auf eine große Allee, an deren linken Ende ich in der Ferne den Herkules im Welterbe Bergpark Wilhelmshöhe erahnen konnte. Am anderen Ende der sich wie mit einem Lineal über die Hügel gezogenen Linie würde ich weltberühmte documenta-Ausstellungsstücke wie den vertikalen Erdkilometer finden – eine direktere Verbindung zwischen Kunst und Kultur würde selbst dem besten Spezialcupautoren schwerer fallen.
Aber man merkt es: auch wenn ich zum ersten Mal nach Kassel kam, hatte ich wenig Augen für die Sehenswürdigkeiten, solange sie nicht an meinem Weg ins Kongresspalais an der Stadthalle lägen. Vor die Sehenswürdigkeiten haben die Quizgötter den Schweiß über rund 850 Fragen gesetzt, die die zwei Tage pflastern würden, und das sind tatsächlich weniger, als es Stufen bis zum großen Heroen auf dem Gipfel des westlichen Endes der Wilhelmshöher Allee sind – also mache ich es mir doch einfach und fröne in Gesellschaft von 250 Leuten der schönsten Wissenssache der Welt.
Gleich beim Reinkommen treffe ich auf fröhliche Gesichter, die das gleiche Vorhaben haben – zwei Tage mit den Fragen und den Menschen zu verbringen, von denen man weiß, dass man sie gerne wiedersieht oder gerne kennenlernt. Man umarmt sich innig, quatscht aufgekratzt, winkt sich zu und dann gehts schon gleich rauf in den rundum verglasten Saal, wo Heike Ollesch die Fragen der World Quizzing Championships austeilen lässt. 120 Fragen in einer Stunde, nach einer kurzen Pause das ganze nochmal, und schon ist auch dem selbstsichersten Quizzer das sokratische Motto „ich weiß, dass ich nichts weiß“ nahegelegt worden. Einhellig trotzdem die Meinung: das war schon mal schlimmer! Die britische IQA hatte offenbar ein Einsehen mit unseren Ächzern – oder waren wir einfach nur alle so viel besser geworden binnen eines Jahres?
Beim Mittagessen konnten wir darüber sinnieren und uns auf den Spaßteil des Wochenendes freuen, denn beim Quizfestival steht ab dem Samstagmittag der Reigen der Funquizze auf dem Programm. Nun klingt K.-O.-Quiz erstmal eher danach, wie man sich nach einem Treppenlauf fühlen würde, aber tatsächlich waren die Fragen von Eva Lange bzw. dem Duo Folke Renken und Jonas Drossart recht angenehm. Den längsten Atem hatte hier aber, wie könnte es anders sein, Sport-Ass Thorsten Zirkel, der zuerst allein zuschlug und dann auch noch im Tag Team mit Manuel Hobiger gleich das Double feiern konnte und seine beeindruckende Sammlung an Gehirnzellen um zwei weitere Plüschkollegen erweitern konnte.
Erstmal den Wissensdurst gesättigt galten die nächsten Stunden der Mitgliederversammlung des DQV, einer Abendessenspause und dann der Bekanntgabe der Ergebnisse der WQC. Nachdem Klaus Herber den Preis für den besten Teilnehmer über 65 Jahren und Jonas Lord den für das beste Debüt in Empfang genommen hat, wird schnell klar, dass der Eindruck nicht trog und diesmal deutlich höhere Punktzahlen in Deutschland erzielt wurden. Schon auf Platz 20 benötigte Max Lüggert den Tiebreaker, um mit 110 Punkten überhaupt ausgerufen zu werden – noch 2024 reichten die zu Platz 2 in Deutschland! Und wo in Mainz niemand die magische 50-%-Marke von 120 Punkten erreichte, schafften es diesmal gleich fünf Deutsche: Tilman Thiry und Pascal Bothe verpassten dabei das Podium, und das nicht einmal knapp: Felix Kreutzfeldt und Jannik Fellger, beide aus der Altersklasse unter 30 Jahren, erreichten die großartige Marke von 132 Punkten und legten damit sieben Punkte zwischen sich und die „Holzmedaille“. Erst die dritte Feinwertung entschied dann: Platz 2 und der zweite Pokal für den besten der jungen Quizzer gingen an den Bremer, Jannik konnte über Platz 3 trotzdem breit lächeln. Nochmal fünf Punkte packte jedoch der Platzhirsch drauf: Sebastian Klussmann erreichte mit 137 Punkten nicht nur einen Top-100-Platz weltweit, sondern auch souverän den Sieg bei der Ausgabe in Deutschland – und das, obwohl er in keiner einzigen Kategorie den Bestwert in Deutschland markierte. Das beste einzelne Kategorienergebnis im weltweiten Vergleich erzielte Jan Kostka, dessen sagenhaften 23 Punkte in Wissenschaft den geteilten 8. Platz bedeuteten.
Ermüdet von den ganzen Ergebnissen wurden alle dann von einem aufgedrehten Lorenz Wirth aufgeweckt, der sich bei seinem Audioquiz von Michael Buffer ankündigen, vom Ballermann inspirieren ließ und dabei trotzdem kunstvoll zwischen allen Kategorien tanzte und die Gürtellinie mitunter etwas strapazierte. Da überraschte es nicht, dass die Sieger die „Vier Söhne der Mama Lauda“ wurden – Sebastian Klussmann, Sebastian Jacoby, Roland Knauff und Kevin Holtmann durften sich ein neues Plüschtier zum Kuscheln in die Nacht mitnehmen.
Sonntags früh weckte Thomas Kinne die Anwesenden dann mit einem Bilderquiz der besonderen Sorte: Die versammelt paarweise antretende Menge bekam 80 kunstvolle Wissensrätsel gestellt, mussten aber pro Seite nur drei der vier für die volle Punktzahl lösen – was Max Lüggert und Vroni Kiefer genau wie beim Bilderquiz im Vorjahr am besten gelang. Das anschließende Multiple-Choice-Quiz von Guido Marquardt erwies sich als geistreich und vielen Anwesenden die bei uns seltene Gnade, immer mindestens eine Chance von 25% auf die richtige Antwort zu haben. Nach oben hin wurde die Luft aber dann doch gewohnt dünn, und Steffen Löwe erwies sich am sichersten dabei, das Kreuz oder den Kringel an der richtigen Stelle zu setzen.
Nach dem Mittag hatte ich dann auch mal Pause vom Fragen beantworten: ich durfte René Waßmers grandiose Idee in die Tat umsetzen und den antretenden Paaren Fragen aus dem gehobeneren Kulturteil bzw. dem etwas mondäneren Wissen servieren. Beide Seiten mussten getrennt 60 Fragen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln beantworten, wobei sich nach Auflösung erwies, dass die Lösungen immer jeweils die gleichen waren. Hätte man das vorher erahnt, hätte man doch sicher Thorsten Zirkel und Stefan Georg ein Schnippchen schlagen können, die so jedoch unschlagbar waren.
Es folgte das Quiz mit den meisten Fragen (100), für die aber die wenigste Zeit (10 Minuten) war: Speedquiz von Heike Ollesch, das zur Abwechslung nicht nur die Köpfe, sondern auch die Kugelschreiber rauchen ließ. Als wir uns nach und nach setzten, da die aufgerufene Punktzahl unsere eigene übersteigen ließ, witterten schon manche Roland Knauff als Sieger, doch er musste sich der kleingewachsenen Inez Müller geschlagen geben, die vielleicht stehend von der lichten Höhe her nicht, aber anhand ihres schnellen Wissens eindeutig als hellster Kopf aus der Menge herausstach.
Da wir nun alle Übung mit dem Aufstehen hatten, ging es zum Abschluss des Wochenendes mal noch darum, möglichst lange sitzen zu bleiben – dafür hatten Eberhard Pflaum und Jonas Lord jeweils 50 Fragen vorbereitet, die uns nach und nach dazu zwangen, unsere Plätze aufzugeben. Am meisten Sitzfleisch bewiesen dann Sebastian Jacoby bzw. schlussendlich Sascha Nolte, die die letzten Preise des Wochenendes abstaubten.
Ich dankte vor Ort zum Abschluss (und möchte dies an dieser Stelle wiederholen) allen helfenden Händen, dem Kongresspalais der Stadt Kassel sowie allen, die Fragen geschrieben haben und verließ dann die Location, ohne dass es jedoch damit vorbei gewesen wäre. Am selben Abend traf sich noch, wer Muße und Zeit hatte, von uns an der Bar des angrenzenden Hotels, um das Wochenende zu rekapitulieren oder einfach so ausklingen zu lassen, dass ein wunderschön wohliger Nachgeschmack blieb.
Und was hab ich noch mit der Kunst-und-Kultur-Stadt Kassel gemacht? Ich bin dann am Pfingstmontag doch noch zum Herkules in den Bergpark Wilhelmshöhe – aber mit Bus und Bahn von der Rückseite, ohne auch nur eine der mehr als 800 Stufen aufwärts zu nehmen. Die Aussicht war dadurch nicht minder schön!
Kassandra Kokkala, Juni 2025